Unterricht per Live-Messenger, Fragestunde im Videochat, Video-Referate: Die aktuelle Situation bringt viele Herausforderungen mit sich – und die Möglichkeit, Neues auszuprobieren.
Auch Lehrer Christoph Koch hat seit Beginn des Homeschoolings vor fünf Wochen viel Neues kennengelernt: „ Auf meinem PC und meinem Smartphone gibt es jetzt einige neue Programme, Videokonferenz-Apps, Messenger und Tools für Online-Umfragen“, sagt er.
Für den Pädagogik- und Psychologieunterricht hat er relativ bald die freie Software OBS Studio getestet. Diese ermöglicht es, Bildschirminhalte aufzuzeichnen. Sein erstes Video hat Koch für die Einführung in ein neues Thema in der 12C genutzt. In einem kleinen Bereich am linken oberen Bildschirmrand ist er selbst zu sehen, aufgenommen mit der Webcam. „Unser nächstes Thema sind Bildungs- und Erziehungsprozesse“, sagt er. Parallel öffnet er ein leeres Word-Dokument, das er kurzerhand zur Tafel erklärt und schreibt das Thema auf. „Das könnt ihr in euer Heft schreiben“, fügt er hinzu. Als nächstes blendet er eine Präsentationsfolie ein und gibt einen Ausblick auf die kommenden Inhalte: „Wir schauen uns an, wie Erziehung funktioniert, was für Erziehungsstile es gibt und welches Erziehungsverhalten. Wir starten mit Maßnahmen der Erziehung und Erziehungszielen.“ Als Nächstes gibt er den Schüler*innen die Aufgabe, den Begriff Erziehung zu zeichnen – wahlweise mit Stift und Papier oder auch einem Zeichenprogramm. Den Arbeitsauftrag schreibt er in das zur Tafel umfunktionierte Worddokument. Anschließen gibt er noch einen kurzen theoretischen Input, blendet eine Definition des Begriffs „Erziehung“ und eine Grafik zu Erziehungszielen ein und beendet das achteinhalbminütige Video mit einer spannenden Aufgabe: Die Schüler*innen sollen ihre Eltern zu deren Erziehungszielen interviewen.
Mittlerweile hat Koch einige solcher Videos erstellt. Sie sind aber nur ein Teil seines Fernunterrichts, den er möglichst abwechslungsreich gestalten möchte. Auch bei ihm findet Unterricht per Videochat statt. „Das ist allerdings noch etwas ungewohnt für viele und muss erst mal geübt werden. Es klappt aber immer besser“, berichtet Koch. Manchmal startet er den Unterricht auch mit einer Youtube-Achtsamkeits-Meditation. Der Webuntis Live Messenger kommt bei ihm ebenfalls zum Einsatz und auch ganz klassisch über E-Mails kommuniziert er mit seinen Schüler*innen, gibt Aufgaben, Tipps oder beantwortet Fragen. Unabhängig von den eingesetzten Kommunikationskanälen, Tools und Medien ist es Koch wichtig, den Schüler*innen eine gute Mischung aus Input, Diskussion und Selbsttätigkeit zu ermöglichen.
Raum für Selbststätigkeit bieten zum Beispiel auch die Videoreferate, die die Schüler*innen bei Koch erarbeiten. Im Fach Geschichte und Gemeinschaftskunde sollen sich die 13.-Klässler*innen näher mit einem internationalen Konflikt beschäftigen und die recherchierten Inhalte gut verständlich aufbereiten. Mit der Vertreibung der Rohingya aus Myanmar haben sich zum Beispiel Pia und Marika befasst. In ihrem Videoreferat erklären sie anschaulich und mithilfe zahlreicher Grafiken und Animationen die politischen und geschichtlichen Hintergründe des Konflikts, die aktuelle Lage und welche Lösungsmöglichkeiten es geben könnte. Bei der Erarbeitung ihrer Videoreferate lernen die Schüler*innen nicht nur jede Menge über komplexe politische Verhältnisse und andere Länder sondern sammeln auch Erfahrung im Umgang mit neuer Software und der Erstellung audiovisueller Medien.
Umfrageergebnisse zu Frage 5 aus einer Klasse
„Die jetzige Situation treibt die Digitalisierung an den Schulen und die Entwicklung technischer Kompetenzen enorm nach vorne“, ist sich Koch sicher.
Natürlich will er auch wissen, wie es seinen Schüler*innen mit der aktuellen Situation und dem Homeschooling geht. Darum hat er eine anonyme Online-Umfrage in seinen Klassen durchgeführt. Darin konnten die Schüler*innen z.B. Angaben dazu machen, wie sie den Arbeitsaufwand empfinden, wie gut sie mit den technischen Herausforderungen klarkommen oder ob sie die aktuelle Gesellschafts- und Schulsituation eher als überfordernd, unterfordernd oder OK wahrnehmen. Auch Platz für eigene Kommentare fanden die Schüler*innen am Ende der Umfrage. Herausgekommen ist ein recht unterschiedliches Bild. Während manche die Situation als belastend wahrnehmen und sich mit dem Fernunterricht eher überfordert fühlen, nehmen andere Homeschooling als interessante Erfahrung wahr, die die Möglichkeit bietet Neues zu entdecken.
Das ist auch der Eindruck, den Koch im direkten Gespräch mit den Schüler*innen und beim Unterrichten gewinnt. „Manche blühen richtig auf und manche machen sich natürlich auch Sorgen. Wichtig ist, dass wir alle gemeinsam irgendwie gut durch diese Zeit kommen.“ Mit seinen Schüler*innen trifft er sich daher auch regelmäßig zu Reflexion und zum Erfahrungsaustausch auf unterschiedlichen Kanälen. Dabei fällt ihm eines besonders positiv auf: „Wir lernen gerade alle enorm viel über das eigene Lernen.“ Das ist für die Pädagogik- und Psychologieschüler*innen, die sich in einer ganzen Lehrplaneinheit mit Lerntheorien und Lernprozessen aber auch mit Themen wie Motivation befassen, natürlich besonders interessant – und für alle anderen natürlich auch.